Die Sprache gebiert den Paaren Kinder, auch den kinderlosen – gerade ihnen. Alle bekommen eins, seit das Draufschauen und Auseinandernehmen, das Überprüfen und Bewerten eingesickert ist in die Denk- und Sprechweisen auch derer, die sich nicht haben hochzüchten lassen zu akademischen Weltbewältigern. Unbefleckte Empfängnis im Sprechakt der Bezeichnung – das Kind, nackt und im Unklaren darüber, was das alles soll um es herum, kommt mit seinem Namen zur Welt: ‚Beziehung’.
Es ist ein Kind, das, wie jedes Kind, geliebt werden will von seinen Eltern, und das es ihnen erlaubt, sich selbst zu lieben, noch nicht wissend, dass diese Liebe immer schon an Bedingungen geknüpft gewesen sein wird, von denen es erst allmählich erfährt. Die glücklichen werden genährt, dürfen wachsen, sich bewähren. Die anderen haben Eltern mit Vorstellungen. – Beziehung ist, Beziehung soll, Beziehung muss, Beziehung schon wieder.
Ängste, Enttäuschungen werden auf es übertragen, Hoffnungen, denen es genügen muss – und wenn nicht, wird nachgeholfen, zurechtgeschoben, gefügig gemacht. Als würde es eingeschult, erhält es Zensuren, muss es sich messen und abmessen, mit anderen Kindern vergleichen lassen. Unsicher hört es seine Eltern, Lehrereltern, die ihre gelernte Pädagogik auf es anwenden, diskutieren, es bewerten nach Kriterien, die es sich nicht ausgesucht hat.
Andere werden vernachlässigt, unbeachtet oder im Würgegriff der Verhätschelung. Um wieder andere tobt der Kampf ums Sorgerecht, das allein aber keiner haben will. Schreckensstarr hören die Kinder die Botschaft: Wenn du nicht bist, wie ich dich will, dann musst du weg.
Helfen Einschulung und Bestrafung nicht, kommt das Kind auf den OP-Tisch. Mit Sägen und Skalpellen wird losgeschnitten – hier etwas richten, dort etwas entfernen, ungeachtet der Blutverluste und der Schreie, und wenn es sein muss, am offenen Herzen. Gegen die Entzündungen gibt es Arzneien aus der Welt der Eltern, gegen die Narben Kosmetik. Die Wochen danach wird das Kind begutachtet, sein Fortschritt protokolliert. Beide Erziehungsberechtigte müssen einverstanden sein mit dem Befund, auf den das Kind bange wartet, Nächte lang, in denen es von zerschnittenen Leibern träumt, Tage, in der Hoffnung, wieder in die Arme genommen zu werden wie zu Beginn, als man sich noch freute, dass es einfach nur da war.
Manche Kinder können nachhause, Kontrolltermin in einem Jahr. Manche werden noch ein zweites, ein drittes Mal operiert. Haben die Eingriffe dann noch immer nicht die erwünschte Besserung herbeigeführt, kommen sie zur Notschlachtung. Mit etwas Glück spüren sie nichts, anders als die, die verhungern müssen, die zuhause eingesperrt werden oder die, nun in böser Absicht, erneut mit Messern bearbeitet werden und mit glühendem Eisen, denen die Seele noch gebrochen wird, ehe sie gehäutet und halb ausgeblutet von der Schlachtbank fallen, um darauf zu warten, dass jemand sie abholt und eingräbt als Untote im Wunden zweier Herzen.